Page 114 - Kanonbildung. Protagonisten und Prozesse der Herstellung kultureller Identität
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112 Waltraud Maierhofer
Angelika Kauffmann
Viel wurde und wird geschrieben über Angelika Kauffmann und Goethe, über
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die Art ihrer Beziehung und ihre gegenseitige Hochschätzung. Goethe wurde
in der Literaturgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts zum Mitbegründer
einer Nationalliteratur und zum kanonischen Autor, den niemand übergehen
konnte, die Werke der Malerin gerieten jedoch zunehmend in Vergessenheit. So
wurde sie in der Kunstgeschichtsschreibung lange Zeit übergangen und erzielte
ein höchstens biografisch motiviertes Interesse.
Literatur und Malerei – Kauffmann und Goethe wirkten in verschiedenen
Disziplinen, standen also anders als Jagemann und Goethe nicht in unmittelbarer
Konkurrenz zueinander. Dennoch war es nicht zuletzt der Olympier Goethe,
der durch Bemerkungen in seiner Autobiografie zum Sinken von Kauffmanns
Stern und der zunehmend negativen Einschätzung ihres empfindsamen
Klassizismus’ beitrug. Hier wird nicht nochmals die Gegenüberstellung der
beiden Goethe-Bildnisse von Angelika Kauffmann und Johann Heinrich
Wilhelm Tischbein wiederholt, die Goethe in seinem autobiografischen Text
Italienische Reise (veröffentlicht in drei Teilen 1816/17 und 1829) in einer Weise
vorgenommen hatte, die deren Rezeption und darüber hinaus das Bild von sich
selbst maßgeblich prägen sollte. Vielmehr gilt unsere Aufmerksamkeit dem
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dritten und letzten Goethe-Porträt darin, nämlich Alexander Trippels Büste, die
im idealisierenden Stil gehalten ist. Die Erörterungen zu den drei Porträts sind
integraler Bestandteil von Goethes Selbstdarstellung in diesem autobiografischen
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›Roman‹ und dienen der Stilisierung seines öffentlichen (Selbst-)Bildes. Die
Italienische Reise ist als fiktionalisierte Darstellung von Goethes Jahren in Italien
zu lesen. Goethe betont darin seine »Wiedergeburt« als klassischer Autor.
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53 Zuletzt Ursula Naumann, Geträumtes Glück. Angelica Kauffmann und Goethe, Frankfurt
am Main 2007; Michael Krapf, Angelika Kauffmann malt Johann Wolfgang von Goethe:
»Es ist immer ein hübscher Bursche, doch keine Spur von mir«, in: Tobias Natter (Hg.),
Angelika Kauffmann. Ein Weib von ungeheurem Talent, Ostfildern 2007, 52-59.
54 Ausführlicher erörtert in Waltraud Maierhofer, »Too Large for our Northern Homes«. Self-
Image and Portrait in Goethe’s ›Italian Journey‹, in: Kevin Z. Cope (ed.), 1650–1850. Ideas,
sthetics, and Inquiries in the Early Modern Era, vol. 15 (2006), 120-156. Die meisten
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Aspekte des Folgenden sind dort ausführlicher begründet als es hier geschehen kann.
55 Diese Einschätzung vertritt zum Beispiel Norbert Miller, Zur Entstehungsgeschichte,
in: Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise, in: J. W. G., Sämtliche Werke in
Epochen seines Schaffens, Bd. 15, München 1992, 673 und 696.
56 Goethe, Italienische Reise, in: ebd., 177 (datiert »Den 20. Dez. [1786]«).