Page 111 - Kanonbildung. Protagonisten und Prozesse der Herstellung kultureller Identität
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Die Ausgeschlossenen                 109

               »antike  Ideal  in  der  Ausbildung  der  Künstler  und  bei  der  Geschmacksbildung
               des Publikums« verfolgte. Er wollte an Schlegels Ion-Bearbeitung »nicht nur die
               Aktualität  des  Winckelmannschen  Ideals  der  Kunst  und  die  Sinnlichkeit  eines
               modernen  Griechentums,  sondern  auch  die  Leistungsfähigkeit  des  Weimarer
               Ensembles im Hinblick auf die Deklamation, die Bewegung und Gruppierung
               auf der Bühne und auf das Zusammenspiel von Kostümen und Bühnenbild unter
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               Beweis stellen.«   Statt Böttigers Rezension schrieb Goethe für das Journal des Luxus
               und der Moden den Aufsatz Weimarisches Hoftheater, den Friedmar Apel »ein kühl
               kalkuliertes Dokument der Kulturpolitik« nennt, das den »Weimarer Theaterstil in
               seiner Entstehung [nach]zeichnet und kanonisiert.« 40
                   Am 29. Mai 1802 ließ Goethe, wie um sein pädagogisches Theaterprogramm
               zu  forcieren,  Friedrich  Schlegels  Alarcos.  Ein  Trauerspiel  in  zwei  Aufzügen
               folgen.   Es  handelt  sich  um  eine  Bearbeitung  der  spanischen  Romanze
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               »Romance del Conde Alarcos y de la Infanta Solisa«, die als eine der schönsten
               und zartesten Balladen gelobt und von verschiedenen Autoren für die Bühne
               bearbeitet wurde. Graf Alarcos ist glücklich mit Doña Clara verheiratet und hat
               Kinder mit ihr. Der König jedoch zwingt Alarcos, Clara zu töten, da er früher
               der Infantin die Ehe versprochen hatte. Alarcos folgt dem Gebot, aber Clara
               beschwört sterbend die göttliche Rache, und innerhalb von dreißig Tagen sind
               der König, die Infantin und Alarcos tot und werden vor Gottes Richterstuhl
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               gerufen.
                   Schlegel  behielt  den  tragischen  Ausgang  bei,  nahm  aber  zahlreiche
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               ›romantische‹ Veränderungen  vor.   Unter  anderem  lässt  Schlegel  Clara  sich
               selbst mit dem Dolch erstechen, der ihren Bruder getötet hatte. Sterbend sieht
               sie alle an dem Komplott gegen sie Beteiligten vor Gottes Richterstuhl stehen.
               Nach  dieser  Prophezeiung  gibt  Alarcos  ihr  den Todesstoß.  Inzwischen  sind
               der König und die Infantin schon tot. Alarcos hat ebenfalls eine Vision mit
               der Leiche seiner Frau vor dem göttlichen Gericht und tötet sich selbst – sehr
               romantisch – mit dem gleichen Mordinstrument.



               39   Ebd., 696 f.
               40   Ebd., 699 f.
               41   Erstdruck: Friedrich Schlegel, Alarcos. Ein Trauerspiel, Berlin 1802.
               42   Vgl. Count Alarcos and the Infanta Solisa, in: Ancient Spanish Ballads; Historical and
                   Romantic (1842), translated by John Gibson Lockhart, Ann Arbor 2005, 145-153 (Location
                   Main Library, Signatur: PQ6267. E4 B26 1856).
               43   Ausführlicher  bei  Vernon  A.  Chamberlin,  Dramatic Treatment  of  the  Conde  Alarcos
                   Theme, in: Hispania, vol. XLII, 4/1959, 517-523.
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