Page 94 - Kanonbildung. Protagonisten und Prozesse der Herstellung kultureller Identität
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92 Anke Bosse
1959 steht in der 72-seitigen Bibliografie hinter einem einzi gen Buch der lapi-
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dare Hinweis »ver al tet« – hinter Hammers Literaturgeschichte. Auch ver kürzt
Rypka den ominösen Siebener kanon: Bei ihm fallen Anwarī und Ğāmī aus der
Kategorie der »Genies« her aus. 1981 setzen sich Morrison und Kadkanī, Pro-
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fessor für persi sche Literatur an der Tehe raner Universität, vehement für die
c
Kanon-Aufnahme Omar Hayyāms als »Classical Poet« ein. Dagegen attackiert
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Kadkanī die Ka nonisierung Ğāmīs als letztem Dichter des »golden age of Per-
sian poetry« und erklärt: »It is not known who was originally responsible for
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freie, aber geschmacklose deutsche Übersetzung des vollständigen ›Diwans‹ veröffentlichte
v. Ham mer […].« Die Wirkungsmacht dieser Lexikon-Urteile ist im mens, steht es doch
in ei nem weit verbreiteten, ein großes Publikum erreichenden allgemeinen Lexikon, das
in der Hierarchie der Ka nonisierungsmacht zwei fellos an der Spitze steht.
79 Rypka, Iranische Literaturgeschichte (wie Anm. 15), 581. Hammers Literaturgeschichte fällt
noch im 19. und bis ins 20. Jahrhundert dem Vergessen anheim. Sie bleibt unerwähnt
sowohl bei Carl Salemann, Valentin Shu kovski, Persische Grammatik mit Chrestomathie
und Glossar, Leipzig 1889, 9 (4., unveränderte Neuaufl. bis 1947) – als auch bei Morrison,
History (wie Anm. 15), 80. Hammers Rehabilitierung und Rekanonisierung ist neueren
Datums, vgl. Anm. 9.
80 Kadkanī (vgl. S. K., Persian Literature [wie Anm. 70]) ist Mitherausgeber von Morrison,
History (wie Anm. 15), die selbst im Hin blick auf Kanonisierungsfragen interessant ist.
Sie ist nämlich erschienen in der ihrer seits in höchstem Maße kanonisierenden Reihe
»Handbuch der Orientalistik« (Handbuch der Orientalistik. Erste Ab teilung. Der Nahe und
der Mittlere Osten, hg. v. B[ertold] Spuler, 4. Bd: Iranistik. Zweiter Abschnitt: Litera tur,
Lfg. 2). Zu deren 18 absoluten, weil siglierten Referenzwerken gehört eine Pub likation
Kadkanīs (vgl. ebd., 3, »Abbreviations« die Sigle »SK«). In den dort folgenden Artikeln
wird mehr fach auf SK und explizit auf den Autor Kadkanī als Forscher- und Meinungs-
Autorität verwie sen. Vgl. auch unter http://en.wikipedia.org/wiki/Mohammad_Reza_
Shafiei_Kadkani.
81 Morrison, History (wie Anm. 15), 12, 42f., 135. – Im frankophonen Raum bedauert
Henri Masson, dass auf grund von Übersetzungen nur »Firdousi, Khayyâm, Saadi,
Hâfiz« und etwas weniger, aber »aussi grands«, »Attâr« und »Djâmi« bekannt seien und
keine persische Literaturgeschichte auf Französisch vorliege; Masson setzt sich in seiner
Anthologie von 1950 das Ziel, so viele Autoren wie möglich dem französischen Publikum
vertraut zu machen, weshalb er auch Auszüge aus theologischen, philosophischen und
wissenschaftlichen Texten aufnimmt (Masson, Anthologie [wie Anm. 15], 7f.).
82 Wie nachhaltig dennoch Ğāmīs Kanonisierung ist – nämlich als Namensgeber einer
ganzen Literaturepoche, analog zu ›Goethezeit‹ (vgl. Anm. 37) – zeigt sich daran, dass
Kadkanī, obwohl er Ğāmī vehement demon tiert, im Titel seines eigenen Artikels von
»the Time of Jāmī« spricht und eines seiner Kapitel mit »Period of Jāmī« überschreibt
(Kadkanī, Persian Literature [wie Anm. 70], 133, 135-137, 139f.).