Page 102 - Kanonbildung. Protagonisten und Prozesse der Herstellung kultureller Identität
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Christian August Vulpius
Mit Blick auf das Werk von Christian August Vulpius (1762–1827) wurde
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neuerdings der Begriff »triviale Klassik« geprägt. Vulpius verfasste eine
erstaunliche Anzahl erfolgreicher trivialer Räuber- und Zauberromane, am
bekanntesten der Rinaldo Rinaldini. Die Kritiker akzeptierten ihn jedoch nicht
als wichtigen Autor, und die Weimarer Salons blieben ihm verschlossen. So
sehr er auch die offizielle Anerkennung von Goethe und Schiller suchte, so
blieb er doch weit im Schatten der ›Olympier‹. 1797 erlangte Vulpius eine
feste Anstellung als Weimarer Hofbibliothekar, und 1806 wurde er Goethes
Schwager. Weniger bekannt ist, dass er zahlreiche Schauspieltexte für das
Weimarer Theater verfasste, die zum Teil auch gedruckt wurden. Außerdem gab
Theaterdirektor Goethe ihm Aufträge für Dramen- und Opernbearbeitungen
und -übersetzungen. Einige Opern übersetzten sie sogar in Arbeitsteilung:
Goethe die Gesänge, Vulpius die Rezitative. Davon ist nun die gesamte
Übersetzung der kurzen Oper oder Farsetta Circe im Druck leicht zugänglich.
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Goethes Übersetzungen erschienen anonym in einem Heft zu den
Aufführungen, in den Ankündigungen der Oper und in den spärlichen
Berichten darüber wurde er aber namentlich genannt, Vulpius’ Beitrag zur
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Übersetzung blieb hingegegen unerwähnt. Sein Name neben dem Goethes
war wohl undenkbar. Goethe wiederum anerkannte die Mitarbeit von Vulpius
am Weimarer Theater erst in den Tag- und Jahresheften, kollationiert aus
2 Andreas Meier, Die ›triviale Klassik‹ – Unterhaltungsliteratur als kulturelles Komplement,
in: A. M. (Hg.), Christian August Vulpius. Eine Korrespondenz zur Kulturgeschichte der
Goethezeit, Berlin 2003, Bd. 1, XI–CLXXXVII. Diese und die folgenden neueren Arbeiten
zu Vulpius konzentrieren sich auf die Romanproduktion: Roberto Simanowski, Die
Verwaltung des Abenteuers. Massenkultur um 1800 am Beispiel Christian August Vulpius,
Göttingen 1998; Edward T. Larkin, Christian August Vulpius. Popular Literature as Moral
Orientation, in: Carleton Germanic Papers 24 (1996), 73-91.
3 Johann Wolfgang Goethe, Christian August Vulpius, Circe. Oper mit der Musik von
Pasquale Anfossi. Übersetzung und Bearbeitung des italienischen Librettos für das Weimarer
Theater, hg. v. Waltraud Maierhofer, Hannover 2007. Ausführlicher zum Folgenden in
der dortigen Einführung Theaterdichter: Zur Zusammenarbeit von Goethe und Christian
August Vulpius als Übersetzer, in: ebd., 5-27.
4 Vgl. [anonym], Gesänge aus der Oper: Circe, in Einem Aufzuge. Musik von Anfossi,
Weimar (Glüsing), 1794; in modernisierter Schreibung auch in: Johann Wolfgang
Goethe, Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens (Münchner Ausgabe), Bd. 4/1, hg.
v. Reiner Wild, München 1988, 249-262.