Page 21 - Kanonbildung. Protagonisten und Prozesse der Herstellung kultureller Identität
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Potsdam und Weimar um 1780 19
Bei Veröffentlichung von De la littérature allemande hatte Friedrich die
ursprüngliche Briefform beibehalten, die ihm die Lizenz gab, seine Gedan-
ken, Einfälle und Assoziationen in lockerer, unsystematischer, oft sprunghaf-
ter Aneinanderreihung und ohne klaren Aufbau vorzutragen. Den größten
Umfang nehmen wiederholte Rückblicke auf die kulturellen Entwicklungen
anderer Völker ein, von der griechischen und römischen Antike, der itali-
enischen Renaissance bis zum Frankreich, Italien und England des 17. und
18. Jahr hunderts. Ihre Literaturen im weitesten Sinne, einschließlich Phi-
losophie, Geschichtsschreibung, juristischer und religiöser Rhetorik, sollten
als Muster für eine deutsche Literatur dienen, wie Friedrich sie wünschte, da
dem König zufolge vorläufig von einer solchen noch gar nicht die Rede sein
konnte.
Als Wurzel des Übels betrachtete er die deutsche Sprache; sie sei »halb-
barbarisch« (80), »schwer zu handhaben, unmelodisch, weitschweifig« (91)
und »mißtönend« (92). Seiner Meinung nach habe sie zu wenig Vokale und
zu viele Konsonanten (95); um sie volkalreicher zu machen und »harte Worte«
zu »mildern«, solle man allen Verben ein a anhängen. Außerdem fehle ihr die
»Fülle bildlicher Ausdrücke«, die gebildeten Sprachen »neue Wendungen und
Anmut« verliehen (81f.). Um sie »zu vervollkommnen« und »den erwünschten
Fortschritt zu befördern« (86) müsse sie »ausgebildet und geschliffen« (80), »ge-
feilt und gehobelt« und »von geschickten Händen gehandhabt« werden (86).
Vor allem aber kranke sie daran, dass sie »in ebensoviele Mundarten zerfällt wie
es Provinzen in Deutschland gibt. Jeder Landkreis glaubt, seine Redeweise sei
die Beste.« (80) Demzufolge sei selbst ein Schriftsteller mit der schönsten Bega-
bung außerstande, diese rohe Sprache überlegen zu handhaben. (ebd.) Um die
»mit ihrem alten Rost behaftete« (114) Sprache nach dem Vorbild der romani-
schen Sprachen »geschliffen, klar und elegant« zu machen (116), müssten »Re-
geln für alle, die reden und schreiben« aufgestellt werden durch eine Instanz,
»die die Regeln für eine reine Sprache vorschreibt« (81). Also Vereinheitlichung
und Uniformierung durch Verfügung von oben. In diesem Zusammenhang er-
wähnt Friedrich die Accademia della Crusca in Italien, »die über die Erhaltung
und Reinheit des Stils wacht«.
In Deutschland, so klagt er, höre er »einen Jargon reden, dem jede Anmut
fehlt« (81). Dagegen hilft seiner Überzeugung nach nichts als Orientierung an
»großen Vorbildern« des Auslands (93), »deren Denkungsart« die Deutschen
sich aneignen sollten (86ff.). Des Königs Zielvorstellung, um »unsere Sprache
zu veredeln« (96) und zu einer eigenen Literatur zu gelangen, bestehe also in