Page 141 - Kanonbildung. Protagonisten und Prozesse der Herstellung kultureller Identität
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Die Klassizität des Urbanen           139

               des Menschen und eine Anthropologie der Wiederherstellung hinaus, der letztere
               auf die Entwicklung einer gewalten- und arbeitsteilig verfassten Gesellschaft und
               eine Anthropologie der beobachtenden Teilhabe. Dass Abstraktionen dieser Art
               immer nur tendenziell gelten und die gelebte Wirklichkeit nur ungenau erfassen,
               muss nicht sonderlich betont werden. Weimar ist, z. B. dank Wieland, nicht so
               gesellschafts- und politikfern, wie es auf den ersten Blick scheint, und Berlin,
               z. B. dank seiner romantischen Stadtfluchten, nicht so lupenrein urban. Allerdings
               gilt der ewige Aufklärer Wieland seit je schon als ein Störelement im Weimarer
               Idealbild, und die Stadtkritik der Berliner Romantiker setzt die urbane Herkunft
               eben voraus. Was bleibt, sind dessen ungeachtet zwei klar unterschiedene Auffas-
               sungen des »Klassischen« und zwei eben so klar unterschiedene Grundlegungen
               der Modernität. Leider hat nur eine davon, die essentialistische von Weimar-Jena,
               den Deutschen gefallen und damit den bis heute nachwirkenden Hiat zwischen
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               Politik und Kultur befördert.  Die andere, zivilgesellschaftlich ausgerichtete
               von Berlin hätte ihr Komplement sein können, wenn sie denn angenommen
               worden wäre. Wer will, kann sie – gewissermaßen als verschüttetes Vermächtnis
               – wieder ausgraben und ins kulturelle Gedächtnis zurückholen, obwohl das unter
               mentalitätsgeschichtlichen Auspizien leichter gesagt als getan ist. Als klassisches
               Paradigma der verspäteten deutschen Bürgergesellschaft steht sie den modernen
               Gedächtnisvirtuosen jedenfalls zur Verfügung.



























               24  Vgl. Wolf Lepenies, Kultur und Politik. Deutsche Geschichten, München 2006.
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