Page 12 - Kanonbildung. Protagonisten und Prozesse der Herstellung kultureller Identität
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10 Robert Charlier und Günther Lottes
inflationäre Universalisierung des Etiketts Klassik/klassisch in der Medien- und
Werbewelt kritisiert Conrad Wiedemann (Berlin). Allerdings wird auch deut-
lich, dass das vorgestellte Projekt einer »Berliner Klassik« methodisch an dieser
begrifflichen Öffnung teilhat.
(3.) Klassiker in der Philosophie und Geschichtsschreibung. In seinen Ausführun-
gen über eine sich gleichsam evolutionär replizierende »einflussreiche Semantik«
überträgt Alfred K. Treml (Hamburg) natur- und sozialwissenschaftliche Theo-
rieansätze auf die hermeneutische Klassikerrezeption. In diesem Zusammenhang
erarbeitet er bestimmte Gesetzmäßigkeiten und definiert Entwicklungsstufen im
Prozess der Klassikergenese wie Variation, Selektion oder Stabilisierung. Schließlich
beleuchtet Andreas Arndt (Berlin) die philosophiegeschichtliche Kanonbildung
am Beispiel der historischen Hegel-Rezeption. Neben den Rezeptionsgewohn-
heiten des synthetisierenden Großphilosophen konturiert Arndt das spezielle
Hegelbild des 19. Jahrhunderts und die sich daran anschließende Kanonisierung
Hegels zum »unwiderlegten Weltphilosophen«. Zuletzt entlarvt Günther Lottes
(Potsdam) die modische Verwendung des Klassiker-Etiketts in der gegenwärti-
gen zeithistorischen Publizistik und konstatiert verschiedene Phasen der Domi-
nanz von Klassikertypen in den Geschichtswissenschaften. Seine Unterscheidung
reicht von den in gewisser Weise literarisch gewordenen Klassikern der Antike
über die Ahnherren der modernen Geschichtsschreibung bis zur Erhebung von
»Separatkanonikern« durch eine bestimmte Theoriemode oder innerdisziplinäre
Schule.
Der Sammelband vereint ausgewählte Beiträge der Konferenz »Kanonbil-
dung im Zeitalter der Globalisierung – Protagonisten und Prozesse der Her-
stellung kultureller Identität«, die in Kooperation mit der Berlin-Brandenbur-
gischen Akademie der Wissenschaften (BBAW), vormals Preußische Akademie
der Wissenschaften, vom 1. bis 3. März 2007 am Forschungszentrum Europä-
ische Aufklärung der Universität Potsdam stattfand (www.klassikermacher.de).
Sowohl die Durchführung der Konferenz als auch die Drucklegung des
vorliegenden Bandes wurden von der Gerda Henkel Stiftung großzügig ge-
fördert. Dafür gilt dem Stiftungsvorstand in Person von Herrn Dr. Michael
Hanssler und Frau Dr. Angela Kühnen sowie Frau Dr. Anna-Monika Lauter für
die Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung stellvertretend unser Dank.
Die Herausgeber, im Herbst 2008